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76. Bayerischer Ärztetag – Tag 1 der Arbeitstagung

Der 76. Bayerische Ärztetag fasste am ersten Tag der Arbeitssitzung in Rosenheim unter anderem Beschlüsse zu Notfallversorgung, Personal-situation in Krankenhäusern, elektronische Patientenakte und Liefereng-pässen bei Impfstoffen.

Notfallversorgung und Rettungsdienst
Der Bayerische Ärztetag bekräftigte seine Position zur Notfallversorgung: Akut erkrankte Patienten sollten außerhalb der Sprechzeiten in sogenannten Notfall- oder Bereitschaftspraxen am Krankenhaus im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung behandelt werden; lebensbedrohliche Zustände werden von dort an die Notaufnahme verwiesen. Nicht mobile Patienten werden durch den Bereitschaftsdienst (Besuchsdienst) versorgt.
Die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB) wurde von den Delegierten aufgefordert, sich gegenüber den Kostenträgern weiterhin dafür einzusetzen, dass die Tätigkeit im Notarztdienst finanziell attraktiver ge-staltet wird.
Die Klinikträger wurden aufgefordert, ihren qualifizierungswilligen Ärztinnen und Ärzten die Teilnahme an entsprechenden Kursen zur Erlangung der Notarzt-Qualifikation während der Arbeitszeit zu ermöglichen.

Personalsituation in Krankenhäusern
Die Delegierten forderten den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) auf, in Zusammenarbeit mit den Medizinischen Fachgesellschaften und der Bundesärztekammer verbindliche Vorgaben für die ärztliche Personalausstattung der Kliniken zu beschließen. Diese müssten neben den Erfordernissen der sicheren und bedarfsgerechten Patientenversorgung auch denjenigen der ärztlichen Weiterbildung Rechnung tragen. Die unmittelbare Refinanzierung daraus eventuell resultierender Personalmehrungen solle durch die Kostenträger sichergestellt werden. In der Begründung heißt es: „Trotz nominalem Anstieg der Arztzahlen in deutschen Kliniken und aller Bemühungen um Messung und Bewertung der Behandlungsqualität ist unübersehbar, dass wichtige Aspekte ärztlicher Tätigkeit in deutschen Kliniken derzeit nicht in erforderlichem Ausmaß sichergestellt werden können.“

Das Ärzteparlament hält außerdem eine bessere Personalausstattungbayerischer Kliniken mit Pflegekräften für dringend erforderlich. Die im internationalen Vergleich ungünstigen Betreuungsschlüssel konterkarierten die ärztlichen Bemühungen um eine hohe Behandlungsqualität. Die Qualität der Grund- und Behandlungspflege – wie auch diejenige anderer medizinischer Leistungen, wie beispielsweise der Physio-, Ergo- oder Logotherapie – entscheide mit über den Behandlungserfolg oder -misserfolg. Der 76. Bayerische Ärztetag rief alle Ärztinnen und Ärzte auf, diesbezügliche Forderungen der Pflegenden zu unterstützen.

Die Delegierten forderten zudem Tarifpartner und Klinikträger auf, dem Fachkräftemangel im Gesundheitswesen sowohl durch Verbesserung der Arbeitsbedingungen als auch der Tarifverträge zu begegnen. Eine vernünftige Krankenhausplanung setze die ausreichende Verfügbarkeit von Fachpersonal voraus. Der Fachkräftemangel im Gesundheitswesen gefährde die Patientensicherheit.

Elektronische Patientenakte
Der Bayerische Ärztetag unterstützt die Initiative der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) zur elektronischen Patientenakte. Er forderte den Bundesgesetzgeber auf, insbesondere eine gesetzliche Befugnis vorzusehen, die es der KBV und den Kassenärztlichen Vereinigungen der Länder ermöglicht, kassenunabhängig einheitliche Standards zu gewährleisten. Die elektronische Patientenakte sei ein bedeutender und maßgeblicher Aspekt bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens und fordere eine koordinierte und arztbegleitete Entwicklung, um den Arzt- und den Patienteninteressen in gleicher Weise gerecht zu werden und die datenschutzrechtlichen Vorgaben einzuhalten. Der Gesetzgeber wurde aufgefordert, die IT-Anbieter zu verpflichten, für die Nutzung der elektronischen Patientenakte eine bundesweit einheitliche, herstellerunabhängige Benutzeroberfläche vorzuschreiben. Wichtig sei auch, dass das Verantwortungsbewusstsein der Bevölkerung für den sorgsamen Umgang mit den persönlichen Gesundheitsdaten gestärkt  werde. Der gewissenhafte und gleichsam aufgeklärte „Patient als Herr seiner Daten“ müsse sich der zunehmenden Autonomie hinsichtlich seiner Gesundheitsdaten bewusst sein und die Verantwortung dafür tragen.

Medizinstudium
Die Delegierten forderten, dass das Medizinstudium weiterhin ein universitäres Studium bleiben soll, wie auch Key-Note-Speaker Professor Dr. Markus Müller, Rektor der Medizinischen Universität Wien, in seinem Vortrag mehrfach betonte. „In einem globalen Wettbewerb müssen wir auf mehr und nicht weniger wissenschaftlich orientierten Inhalt und Fähigkeit zum Umgang mit Konvergenzthemen setzen“, so Müller. Die Vollversammlung stellte in einem Beschluss klar: Mit der im Rahmen des Masterplans Medizinstudium 2020 anstehenden Änderung in der Ausbildung müsse der wissenschaftliche Charakter des Studiums erhalten und weiter ausgebaut werden. Angehende Ärztinnen und Ärzte bedürfen einer hohen wissenschaftlichen Kompetenz als Grundlage der späteren ärztlichen Tätigkeit. Jede Ärztin und jeder Arzt müsse in der Lage sein, die wissenschaftlichen Grundlagen des medizinischen Fortschritts und wissenschaftliche Publikationen zu verstehen, zu werten und für die eigene ärztliche Tätigkeit zum Wohle der Patienten zu nutzen. Der 76. Bayerische Ärztetag unterstützt die Anstrengungen der Bayerischen Medizinischen Fakultäten, die Qualität der medizinischen Promotion durch die Einführung strukturierter Promotionsprogramme als Teil der wissenschaftlichen Ausbildung zu verbessern. Die hierfür erforderliche finanzielle Ausstattung müsse seitens des Freistaates Bayern und der Länder sichergestellt werden.

Lieferengpässe bei Impfstoffen
Der 76. Bayerische Ärztetag forderte die Bayerische Staatsregierung auf, die politische Verantwortung wahrzunehmen und politische Lösungen zu erarbeiten, um die Versorgung der Bevölkerung mit Impfstoffen sicherzustellen. Es müsse sichergestellt sein, dass für die von der Ständigen Impfkommission (STIKO) empfohlenen Impfungen ausreichend geeignete Impfstoffe zur Verfügung stünden und der saisonal wichtige Grippeimpfstoff rechtzeitig geliefert werde. In den vergangenen Jahren kam es aus verschiedenen Gründen zu Impfstoff-Lieferengpässen. Das schade dem Arzt-Patienten-Verhältnis und gefährde den Impfschutz der Bevölkerung. In einem weiteren Beschluss wurde der Verband Forschender Arzneimittelhersteller e. V. (vfa) aufgefordert, Lieferengpässe bei Impfstoffen zu beheben und die Versorgung der Bevölkerung mit Impfstoffen sicherzustellen.

Koalitionsverhandlungen – Tarifeinheitsgesetz
Die in den Koalitionsverhandlungen befindlichen Parteien wurden von den Delegierten aufgefordert, den Auftrag des Bundesverfassungsgerichtes (BVG) zur Überarbeitung des Tarifeinheitsgesetzes im Koalitions-vertrag zu berücksichtigen, da der vom BVG angemahnte Minderheitenschutz bei Aufrechterhaltung der Verdrängungswirkung des Paragraf 4 a Tarifvertragsgesetz praktisch nicht umsetzbar sei.

Anspruch auf Teilzeitarbeit
Um die Vereinbarkeit von Familie und Arztberuf zu verbessern, wurden Arbeitgeber in Klinik und Praxis aufgefordert, den gesetzlich festgeschriebenen Anspruch auf Teilzeitarbeit in vollem Umfang zu gewähren. Es müsse dringend zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Arztberuf in den Kliniken auf allen Leitungsebenen ein Klima geschaffen werden, das es Eltern – zumindest zeitweise – ermögliche, in Teilzeit zu arbeiten, ohne dass insbesondere junge Eltern Verschlechterungen ihrer beruflichen Position fürchten müssten.

Bewegung und Bewegungsförderung
Der 76. Bayerische Ärztetag riet den Ärztinnen und Ärzten, sich über die „Nationalen Empfehlungen für Bewegung und Bewegungsförderung“, gefördert durch das Bundesministerium für Gesundheit (BMG), zu infor-mieren. Die Empfehlungen stellten eine wissenschaftliche Grundlage dar, wie mehr Bewegung in den Alltag kommen könne. Sie sollten für die Ärztinnen und Ärzte zum Anlass genommen werden, die Bewegungsberatung für die Patientinnen und Patienten in der ärztlichen Tätigkeit in Praxis, Klinik und Behörden umzusetzen.

Pressestelle