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Gericht kippt Mindestmengenregelung bei Frühgeborenenversorgung

Jonitz: „Politik und Gemeinsamer Bundesausschuss müssen jetzt
umsteuern“


Berlin, 22.12.2011

„Die willkürliche Festlegung einer Mindestmenge für bestimmte Krankenhausleistungen ist kein geeignetes Instrument zur Verbesserung der Versorgungsqualität.
Es ist gut, dass diese Erkenntnis auch von der Rechtsprechung geteilt wird.“ So kommentierte Dr. Günther Jonitz, Vorsitzender der Qualitätssicherungs-Gremien der Bundesärztekammer, ein aktuelles Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Berlin-Brandenburg. Die Richter befanden, dass die Erhöhung der
Mindestmenge von 14 auf 30 Behandlungsfälle pro Jahr bei der Versorgung von Frühgeborenen rechtswidrig und damit nichtig ist.
Geklagt hatten 41 Krankenhäuser, die derzeit noch die Versorgung Frühgeborener mit einem Geburtsgewicht von unter 1.250 Gramm anbieten und sich gegen die beabsichtigte Zentralisierung der Versorgung gewendet haben. Bereits im Januar hatte das LSG die Erhöhung der Mindestmenge in einem Eilverfahren gestoppt. Diesem Urteil ist das Gericht nun auch im Klageverfahren gefolgt.

Bereits mehrfach hatte die Bundesärztekammer auf die mangelhaften wissenschaftlichen und klinischen Grundlagen für die Einführung von Fallzahlgrenzen hingewiesen. Dieser Einschätzung ist das Gericht gefolgt. Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Erhöhung der Mindestmenge lägen
nicht vor. Die vom Gesetz geforderte „besondere“ Abhängigkeit der Leistungsqualität von der Leistungsmenge sei nicht hinreichend belegt, heißt es in dem Urteil. „Das Gericht hat Recht
mit dieser Entscheidung. Es gibt keine hinreichende Evidenz für konkrete, noch dazu derart hohe Fallzahlgrenzwerte, und es ist auch nicht belegbar, dass die Ergebnisqualität von der Leistungsmenge in besonderem Maße abhängig wäre.“

Das Urteil sei gleichermaßen ein klares Signal an den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) wie an den Gesetzgeber, sich endlich von den bestehenden Mindestmengenregelungen zu verabschieden, so Jonitz. Bereits im August hatte das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg den seit 2005 bestehenden Mindestmengenbeschluss des G-BA für Knie-Totalendoprothesen (Knie-TEP) gekippt. Die Richter verwiesen damals auf ein Gutachten des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) zu Knie-TEP, wonach dann kein besonderer Zusammenhang zwischen Fallzahlen und Behandlungsqualität zu erkennen sei. Auch im aktuellen Urteil zur Mindestmengenversorgung verweist das Gericht auf ein Gutachten des IQWIG. Darin heißt es, dass kausale Zusammenhänge zwischen Leistungsmengen und Leistungsqualität im Bereich der Versorgung Frühgeborener nicht nachweisbar seien. Vor diesem Hintergrund forderte Jonitz den Gesetzgeber auf, den in §137 des Sozialgesetzbuches V verlangten Mindestmengenkatalog zu streichen. Er appellierte zudem an den G-BA, stattdessen die Qualitätsdarlegung an den Kliniken auszubauen. Jonitz: „Die Behandlung der Patienten wird doch nicht dadurch besser, dass wir völlig willkürlich starre Grenzwerte bei den Fallzahlen festlegen. Eine systematische Erhebung von Qualitätsparametern und daraus mit ärztlichem Sachverstand abgeleitete Konsequenzen sowie eine engmaschige Begleitforschung würden den komplexen Herausforderungen eher gerecht als eine schlichte Zentralisierungspolitik.“

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