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Ärztetag: Menschen statt Margen in der Medizin

Berlin, 29.05.2013

Der 116. Deutsche Ärztetag in Hannover hat gefordert, das Gesundheitssystem statt nach rein ökonomischen Vorgaben stärker an den Bedürfnissen der Patientinnen und Patienten auszurichten. Die Dynamik der Überregulierung sowie der Ökonomisierung müsse durchbrochen werden, um wieder den notwendigen Raum für Therapiefreiheit und –verantwortung herzustellen.

„Seit Jahren steigt die Zahl der Behandlungsfälle in Klinik und Praxis, die Zahl der tatsächlich zur Verfügung stehenden Arztstunden aber ist rückläufig. Zugleich nimmt der ökonomische
Druck durch fortwährende Unterfinanzierung im ambulanten Bereich wie auch in der Klinik zu“, konstatierte der Ärztetag in einer Entschließung unter dem Titel „Menschen statt Margen in
der Medizin“. Die Folge dieser Entwicklung sei eine Verdichtung von Arbeit, Überlastung und Demotivation von Ärztinnen und Ärzten.

Zwar sei ökonomisches Denken eine Notwendigkeit, doch dürfe die Ökonomie nicht das ärztliche Handeln bestimmen, warnte Prof. Dr. Giovanni Maio, Direktor des Instituts für Ethik und
Geschichte der Medizin der Universität Freiburg, in einem Gastvortrag vor den Delegierten des Ärztetages. „Innerhalb der ökonomischen Logik wird die ärztliche Arbeit wie eine technische
Reparatur aufgefasst, die dann ebenso kostensparend ablaufen soll; dabei wird aber der Mensch mit seiner Befindlichkeit und die psychosoziale Dimension des Krankseins zu sehr vernachlässigt.“
Ökonomen müssten lernen, medizinisch zu denken, um zu wissen, wo das ökonomische dem medizinischen Denken Platz machen müsse, forderte Maio.

In einer weiteren Entschließung plädierte der Deutsche Ärztetag dafür, dass Krankenversicherungs-system unter Beibehaltung der Dualität von gesetzlicher und privater Krankenversicherung fortzuentwickeln. Die Finanzautonomie der gesetzlichen Krankenkassen soll wieder hergestellt werden. Die Bundesärztekammer hatte im Auftrag des letztjährigen Deutschen Ärztetages in Nürnberg eine Reformskizze zur Weiterentwicklung des Krankenversicherungs-systems entwickelt, die heute in Hannover bestätigt wurde. Die Reformskizze sieht unter anderem vor, den derzeitigen Versichertenanteil zu einem festen, einkommensunabhängigen und von den Kassen autonom festzulegenden Gesundheitsbeitrag weiterzuentwickeln. Um eine zu hohe Belastung von beitragspflichtigen Versicherten mit niedrigen Einkommen zu verhindern, soll der Gesundheits-beitrag, den der einzelne Versicherte zahlen muss, auf eine Belastungsgrenze von einem maximalen beitragspflichtigen Anteil von 9 Prozent des gesamten Haushaltseinkommens beschränkt werden. Zudem schlägt die BÄK vor, für jedes in Deutschland geborene Kind ein Gesundheitssparkonto einzurichten, das als kapitalgedecktes Ansparprogramm die finanziellen Folgen der zukünftigen demografischen Entwicklung abfedern soll.

Der Deutsche Ärztetag lehnt die von SPD und Bündnis 90/Die Grünen geplante Bürgerversicherung ab.

Der 116. Deutsche Ärztetag tagt vom 28. bis 31. Mai 2013 in Hannover. Videos von der Eröffnungsveranstaltung und von den Plenumssitzungen des Ärztetages können auf der Internetseite der Bundesärztekammer unter www.baek.de abgerufen werden.

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