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Mehr als fünf Millionen Menschen in Deutschland haben Schluckstörungen

38. Interdisziplinäres Forum „Fortschritt und Fortbildung in der Medizin“ der Bundesärztekammer in Berlin

Berlin, 10.01.2014

Mehr als fünf Millionen Menschen sind in Deutschland von einer Schluckstörung betroffen. „Die Tendenz ist steigend“, sagte Dr. Christiane Hey vom Klinikum der Goethe-Universität in Frankfurt auf dem 38. Interdisziplinären Forum „Fortschritt und Fortbildung in der Medizin“ der Bundesärztekammer in Berlin. Ein wesent-licher Grund ist die steigende Zahl multimorbider und älterer Patienten. Multiple Erkrankungen aus den unterschiedlichsten medizinischen Teilgebieten könnten Schluckstörungen verursachen. „Besonders häufig kommt dies beim akuten Schlaganfall sowie Kopf-Hals-Tumoren vor. Betroffen sind häufig auch geriatrische und langzeitintubierte Patienten“, berichtete Hey.

Neben dem Verlust an Lebensqualität für die Patienten führt eine Schluckstörung auch zu hohen finanziellen Belastungen des Gesundheitssystems, bedingt durch die Sekundärkompli-kationen, vor allem Aspirationspneumonie und Malnutrition. In den USA wurden für den Zeitraum von 2005 bis 2006 die Kosten auf fast 550 Millionen Dollar pro Jahr geschätzt. „Diese Zahlen unterstreichen die Notwendigkeit der konsequenten Implementierung eines evidenzbasierten Schluckstörungs- Managements“, betonte Hey.

Zur Abklärung einer Schluckstörung sind bildgebende Verfahren unerlässlich, ergänzte Dr. Arno Olthoff vom Universitätsklinikum Göttingen. Als Standardverfahren gelten international die flexible
endoskopische Evaluation des Schluckvorganges (FEES) und die Videofluoroskopie (VFSS). Eine mögliche Alternative zur VFSS könnte die dynamische Echtzeit-Magnetresonanztomographie sein, so Olthoff. Doch blieben die FEES und die VFSS aufgrund der einfachen klinischen Handhabung das diagnostische Verfahren der Wahl. Durch das Echtzeit-MRT könnten zukünftig Röntgenbelastungen vermieden werden.
Die intensivere Behandlung von akuten Schlaganfallpatienten auf Stroke Units hat gezeigt, welche immense Bedeutung die Schluckstörung für die Prognose dieser Patientengruppe hat, erläuterte Dr. Tobias Warnecke vom Universitätsklinikum Münster. Durch ein gezieltes Akutmanagement dieses Symptoms könne das Ergebnis für die Patienten verbessert werden. Dies habe in den letzten Jahren zu einer erheblichen Erweiterung und Standardisierung von neurologischer Diagnostik und Therapie der akuten schlaganfallbedingten Schluckstörungen geführt.
Schluckstörungen, die teilweise nicht mehr behandelbar sind, werden zunehmend auch in Folge von Bestrahlung und Chemotherapie bei Kopf-Hals-Tumoren wahrgenommen. Diese als Spättoxizität eingestuften Schluckstörungen stellen aktuell einen wesentlichen Teil der klinischen Forschung dar, die sich bemüht, durch schonendere Primärkonzepte (bessere Konturierung der schluckrelevanten Rachenmuskulatur in der IMRT, Protonentherapie) und alternative immuntherapeutische Konzepte diese Spätkomplikationen einzudämmen, so Prof. Dr. Andreas Dietz vom Universitätsklinikum Leipzig. Wichtig ist auch die Frühbehandlung durch aktives Schlucktraining bereits während der onkologischen Therapie, um spätere Dysphagien zu vermeiden.

„Eine Behandlung von Schluckstörungen beinhaltet unter anderem Haltungsänderungen, Anwendung von direkten und indirekten Schluckmanövern, diätische Maßnahmen, Mundhygiene, aber auch chirurgische Eingriffe“, führte Dr. Jörg E. Bohlender vom Universitätsspital Zürich aus. Diese Maßnahmen werden nicht nur bei Schluckstörungen nach chirurgischen Eingriffen bei Kopf-Hals-Tumoren angewendet. „Schlucktherapie wird ebenfalls als ein wichtiger Baustein bei der Behandlung von akuten und chronischen neurologischen Erkrankungen mit Dysphagiebeschwerden und bei Schluckstörungen im Alter erkannt“, so Bohlender.

Fazit: Frühzeitige Erkennung ermöglicht frühzeitige Intervention mit deutlicher Kostenreduktion für das Gesundheitssystem und verbesserter Lebensqualität für die Patienten.

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