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Experten warnen: Geschlechtskrankheiten nicht tabuisieren

38. Interdisziplinäres Forum „Fortschritt und Fortbildung in der Medizin“ der Bundesärztekammer in Berlin

Berlin, 10.01.2014

Jährlich erkranken weltweit mehr als 340 Millionen Männer und Frauen, vorrangig zwischen 15 und 49 Jahren, an sexuell übertragbaren Infektionen (STI, Sexually Transmitted Infections). Darunter sind neben HIV vor allem Syphilis, Gonorrhoe, Genitalherpes, Chlamydien- und Humane Papillomvirus-Infektionen zu verstehen, wie Prof. Dr. Norbert H. Brockmeyer, Präsident der Deutschen STI-Gesellschaft und Leiter des Zentrums für sexuelle Gesundheit an der Ruhruniversität Bochum, auf dem 38. Interdisziplinären Forum „Fortschritt und Fortbildung in der Medizin“ der Bundesärztekammer in Berlin erklärte. „Trotz aller Sexualisierung im Alltag: Sex und Sexualität sind in unserer Gesellschaft weiterhin etwas Privates und Intimes.“ Daher seien Gespräche über die eigene Sexualität sehr häufig mit Scham, Scheu, Zurückhaltung und auch mit Tabus verbunden. „Wichtig ist, dass Kommunikation in diesem Spannungsfeld zwischen Tabu und Hilfsanspruch gelingt und dies vertrauensvoll und ohne moralische Vorbehalte“, unterstrich Brockmeyer.

Nach dem HIV/AIDS-Schock der 80er und 90er Jahre war es zu einem deutlichen Rückgang von sexuell übertragbaren Erkrankungen in der westlichen Welt gekommen. „Seit Beginn des neuen Jahrtausends wird jedoch wieder eine deutliche Erhöhung der HIV-Infektionszahlen in den westlichen Ländern verzeichnet“, so Brockmeyer. Deutschland weise nach wie vor die, abgesehen von Finnland und Andorra, geringsten HIV-Neuerkrankungsraten auf. „Allerdings sind die Neuinfektionsraten für Syphilis, Gonorrhoe und andere STI seit etwa einem Jahrzehnt stetig zunehmend“. Im Jahr 2012 seien 4.500 Syphilis-Fälle registriert und 15.000 – 16.000 Gonorrhoe-Fälle geschätzt worden. Bei jungen Menschen, die erste sexuelle Erfahrungen machen, treten häufig Infektionen mit Chlamydien, Humanen Papilloma Viren (HPV) und Herpes simplex auf.

Erreger der Spezies Chlamydia trachomatis (CT) sind die weltweit häufigste Ursache bakterieller sexuell übertragener Infektionen, berichtete Dr. Heinrich Rasokat, Oberarzt an der Universität zu Köln. So sei die Zahl der in Sachsen gemeldeten Infektionen von 26,3 pro 100.000 Einwohner in 2003 auf 102 pro 100.000 in 2012 deutlich gestiegen. Deshalb werde von der gesetzlichen Krankenversicherung seit 2008 für alle Frauen unter 25 Jahren eine kostenlose Untersuchung auf CT angeboten.
Zu den möglichen Spätfolgen gehören weibliche Unfruchtbarkeit, Schwangerschaftskomplikationen, Frühgeburten und Aborte. Bei Männern kann es zu Harnröhren-, Nebenhoden- und Prostataentzündungen kommen. „Es besteht ein hohes Reinfektionsrisiko, so dass in jedem Fall eine Partnertherapie dringend empfohlen wird“, so Rasokat.
Dr. Petra Spornraft-Ragaller, Oberärztin an der Technischen Universität in Dresden, erklärte, dass zur Häufigkeit der Gonorrhoe wegen fehlender bundesweiter Meldepflicht wenig bekannt sei. Nach der sächsischen Meldeverordnung zeige sich jedoch eine mit anderen europäischen Ländern vergleichbare Inzidenz. „Die antibiotische Resistenz des die Gonorrhoe auslösenden Bakteriums nimmt seit Jahren ständig zu“, warnte Spornraft-Ragaller.

„Unter den klassischen Geschlechtskrankheiten ist die Syphilis die einzige Erkrankung, die seit Einführung des Infektionsschutz-gesetzes noch an das Robert-Koch-Institut gemeldet wird“, berichtete Prof. Dr. Helmut Schöfer, Oberarzt an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt. Sie habe seit 2001 nahezu stetig und in den letzten drei Jahren erheblich zugenommen - vor allem bei Männern, die Sex mit Männern haben.

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