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Fehlervermeidungskultur statt Zwangsregister

Pressemitteilung der Bundesärztekammer

zu dem Bericht „Wir brauchen ein Register für Behandlungsfehler“ in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung

„Wir brauchen kein Zwangsregister für Behandlungsfehler, sondern endlich vernünftige Arbeitsbedingungen für Ärztinnen und Ärzte, dann können schon viele Fehler vermieden werden.“ So kommentierte der Präsident der Bundesärztekammer, Prof. Dr. Jörg-Dietrich Hoppe, einen Bericht der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung (15.02.2010). „Unser Ziel ist und bleibt es, dass Ärzte ohne Angst über Pannen sprechen können, dass sie aus ihren Fehlern lernen. Gerade in Anbetracht der Komplexität moderner Medizin brauchen wir eine systematische und auf Freiwilligkeit beruhende Aufarbeitung von Fehlern im Sinne einer Fehlervermeidungskultur“, so Hoppe.
„Die bei den Ärztekammern eingerichteten Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen für Arzthaftungsstreitigkeiten haben sich bewährt. In rund 90 Prozent der Fälle werden die Entscheidungen der Kommissionen von beiden Parteien akzeptiert und die Arzthaftungsstreitigkeiten beigelegt“, so Hoppe. Der Patient könne durch ein effizientes und gebührenfreies Verfahren überprüfen lassen, ob sein Behandlungsfehlervorwurf gerechtfertigt ist. „Wird nach Begutachtung durch die Gütestellen doch noch der Rechtsweg beschritten, werden die Gutachten der Kommissionen weit überwiegend bestätigt“, sagte Hoppe.

Hoppe verwies darauf, dass es bereits bewährte Systeme zur Registrierung und Auswertung von Behandlungsfehlern gibt. „Als einzige Stelle in Deutschland führen die Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen ein umfassendes Register, in dem alle Anträge anonymisiert in ein bundeseinheitliches Statistikprogramm eingehen.“ Das sogenannte Medical Error Reporting System gebe unter anderem Aufschluss darüber, bei welchen Diagnosen und Therapiemaßnahmen Behandlungsfehler vermutet wurden und welche Fachgebiete betroffen seien. Ziel der Statistik ist es, Fehlerhäufigkeiten zu erkennen und Fehlerursachen auszuwerten, um sie für die Fortbildung und Qualitätssicherung zu nutzen.
„Angesichts der auch von vielen Fachleuten anerkannten guten Arbeit der Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen, ist die in dem Bericht aufgestellte Behauptung, dass ein Patient bei dem bisherigen Gutachterverfahren fast immer auf der Strecke bleibt, völlig haltlos“, sagte Hoppe.

Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen

(Arbeitsweise und Verfahrenstechniken)
Seit 1975 sind bei den Ärztekammern der Länder Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen für Arzthaftungsstreitigkeiten eingerichtet, die unabhängige Begutachtung und außergerichtliche Streitschlichtung bei Behandlungsfehlervorwürfen anbieten. Die Verfahren sind für die Patienten kostenfrei. Da es sich um ein freiwilliges Verfahren handelt, müssen alle Beteiligten einverstanden sein.
In den Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen sind Ärzte und Juristen tätig. Die Juristen sind in der Regel ehemalige Richter hoher und höchster Gerichte der Bundesrepublik Deutschland (Präsidenten von Oberlandesgerichten oder ehemalige Richter des Bundesgerichtshofes). Ebenso wie die ärztlichen Sachverständigen beurteilen sie den Vorwurf eines Behandlungsfehlers nach bestem Wissen und Gewissen und unabhängig von Beeinflussungen Dritter. In 90 % aller Fälle werden die Entscheidungen der Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen von den Antragstellern und Haftpflichtversicherern anerkannt. Nur in den wenigen verbleibenden Fällen beschreiten Patienten den Rechtsweg. Dies ist auch nach einem Schlichtungsverfahren noch möglich.

Die Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen sind seit Jahren bemüht, ihre Erkenntnisse aus den Verfahren zudem in die Qualitätssicherung und Fortbildung der Ärzte einfließen zu lassen. Sie genießen deshalb nicht nur bei Patienten und Patientinnen ein großes Ansehen, sondern auch bei Organisationen mit dem Schwerpunkt Patientensicherheit. Als einzige Stelle in der Bundesrepublik Deutschland führen sie ein umfassendes Register, in dem alle Anträge anonymisiert in ein bundeseinheitliches Statistikprogramm eingehen. Mithilfe des sogenannten Medical Error Reporting System (MERS) können Fehler erkannt und so zukünftig vermieden werden. Erkenntnisse aus den Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen werden sowohl auf Fachtagungen als auch in die Forschung eingebracht, z. B. beim Aktionsbündnis Patientensicherheit.

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