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Mangel statt Versorgung

Hoppe: Kassen leugnen den Ärztemangel


Berlin, 01.03.2011

Der Präsident der Bundesärztekammer, Prof. Dr. Jörg-Dietrich Hoppe, erklärt: „Ein Blick in den Stellenmarkt des Deutschen Ärzteblattes offenbart jede Woche aufs Neue, dass die Nachfrage nach Ärztinnen und Ärzten in Klinik und Praxis steigt. In vielen Regionen ist der Ärztemangel inzwischen eine tägliche Erfahrung mit gravierenden Folgen für die medizinische Versorgung. Patienten müssen lange auf Termine warten und weite Wege bis in die nächste Arztpraxis in Kauf nehmen. Aber auch in den Krankenhäusern bleiben viele Stellen unbesetzt, in einigen Abteilungen sogar bis zu 50 Prozent.

Der medizinische Fortschritt und die demografische Entwicklung bedingen mehr Leistungen, weil früher nicht bekannte oder mögliche Eingriffe, Untersuchungen und Therapiemethoden mit zunehmendem Fortschritt durchführbar geworden sind. Dies erfordert mehr Personal.

Zudem werden bis zum Jahre 2020 fast 24.000 Hausärzte aus dem System ausscheiden. Erheblicher Ersatzbedarf entsteht in den neuen Ländern. In den Krankenhäusern werden in zehn Jahren fast 20.000 Ober- und Chefärzte altersbedingt in den Ruhestand gehen. Die Ärztinnen und Ärzte, die nachrücken, haben oftmals gänzlich andere Lebensperspektiven als ihre Vorgängergeneration. Um Beruf, Familie und Freizeitgestaltung miteinander in Einklang zu bringen, sind viele Mediziner in Teilzeit tätig. Dadurch sinkt das ärztliche Arbeitszeitvolumen. Nach der Arztzahlstudie der Bundesärztekammer betrug die durchschnittliche Wochenarbeitszeit 1991 noch 38,1 Stunden. Im Jahr 2007 waren es nur 33,2 Stunden. Doch während die Wochenarbeitszeit sinkt, steigt die Arbeitslast in Klinik und Praxis stetig an. So kommt es in zunehmendem Maße zu einer Verdichtung von Arbeit, zu Überlastung von Mitarbeitern und zu Demotivation. Ärztinnen und Ärzte verlieren ihre Freude an und ihr Engagement für den Beruf. Kurz gesagt: Arbeit in der Medizin ist unattraktiv geworden.

Da nützt es wenig, wenn die Krankenkassen aus Furcht vor steigenden Kosten das Problem des Ärztemangels klein reden. Richtig ist, dass wir eine zielgenauere Bedarfsplanung brauchen, um Unterversorgung vermeiden zu können. Nötig sind vor allem Anreize, um wieder mehr junge Menschen für den Arztberuf zu begeistern. Die Koalition zeigt zumindest den Willen, die Ursachen des Ärztemangels bekämpfen zu wollen: Keine Preisabstaffelungen stattdessen Sicherstellungszuschläge in unterversorgten Gebieten, familienfreundlichere Arbeitsplätze an den Kliniken und bessere Studienbedingungen für angehende Mediziner können dazu beitragen, wieder mehr junge Menschen für den Arztberuf zu begeistern. Es geht um die Motivation einer ganzen Generation nachwachsender Ärztinnen und Ärzte. Eine Gesellschaft des langen Lebens braucht Ärztinnen und Ärzte in Klinik und Praxis und nicht in anderen Berufsfeldern.“

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