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Ärztestatistik richtig interpretiert

Ärztemangel trotz steigender Arztzahlen



München, 12. April 2011

Grundsätzlich geht es um die „Auflösung des Paradoxons Ärztemangel bei zunehmenden Arztzahlen“. „Eine rein zahlenmäßige Erfassung der berufstätigen Ärztinnen und Ärzte in Bayern ist für die Bewertung der Versorgungssituation nicht aussagefähig, da ‚Köpfe nicht gleich Stellen‘ sind“, erläuterte Dr. Max Kaplan, Präsident der Bayerischen Landesärztekammer (BLÄK), und warnte in diesem Zusammenhang vor „Fehlinterpretationen“ der BLÄK-Statistik. Die Statistik der BLÄK stellt auf die reine Zahl von Ärztinnen und Ärzten zu einem bestimmten Stichtag in verschiedenen Tätigkeitsbereichen ab. Sie könne keine Aussagen über den Umfang, die Art und den Ort ärztlicher Tätigkeit treffen.

Als Hauptursache für die Mangelsituation nannte Kaplan die kontinuierliche Abnahme des „workload“ der Ärztinnen und Ärzte in den vergangenen Jahren, den sich ständig erhöhenden Versorgungsbedarf aber auch die Zunahme von neuen Versorgungsmodellen.


- So hat die Zahl der Teilzeitbeschäftigungen von Ärztinnen und Ärz-ten in Kliniken und Praxen rasant zugenommen, wobei der steigende Frauenanteil diesen Trend verstärkt, da Ärztinnen häufiger in Teilzeit arbeiten oder in der Elternphase eine Auszeit nehmen.

- Die Jahresarbeitszeit hat sich in den vergangenen Jahrzehnten den allgemein herrschenden Arbeitszeiten angenähert. Allein die EU-Arbeitszeitrichtlinie erfordere bundesweit rund 27.000 Kranken-hausstellen mehr (Bayern: zirka 3.800).

- Ärztinnen und Ärzte arbeiten nicht alle ausschließlich in der Patientenversorgung, sondern vermehrt in anderen Bereichen und Branchen oder wandern ins Ausland ab.

- Der Altersdurchschnitt der berufstätigen Ärztinnen und Ärzte nimmt in Bayern ständig zu (insbesondere der Niedergelassenen und hier wiederum der Hausärzte), was die Mangelsituation verschärft und bis 2020 drastisch zuspitzen wird. 2.096 (23 Prozent) der bayerischen Hausärztinnen und -ärzte sind heute über 60 Jahre. Bei den Allgemeinärzten liegt der Gipfel in der Altersverteilung bei 58 Jahren. Knapp 50 Prozent der Allgemeinärzte sind 54 Jahre und älter. Diese werden voraussichtlich in den nächsten zehn Jahren ausscheiden. Soviel zur Prognose zur Versorgungssituation in fünf bis zehn Jahren.

- Der ärztliche Versorgungsgrad in Bayern ist unterschiedlich ausgeprägt – je nach Region und Fachgebiet. Das Argument der Bedarfsplanung ist zu pauschal und ungenau, die Planungsbereiche oft zu großräumig. Die Planungsproblematik wird derzeit daher auch lebhaft im Rahmen des Entwurfs eines Versorgungsgesetzes diskutiert; sie muss regional gelöst werden.

„Stelle man der Zahl der Abgänge (ca. 4.600 bayerische Hausärzte) die voraussichtlichen Zugänge (ca. 3.200 Hausärzte) bis zum Jahr 2020 gegenüber, so werde es in Bayern etwa 1.400 Hausärzte weniger geben als bisher“, sagte Bayerns Ärzte-Chef.

Eine klare Absage erteilte Kaplan dagegen Vorstellungen, einen Hausarzt „light“ zu etablieren, indem Aus- und Weiterbildungszeiten verkürzt werden. Auch eine Übertragung von originär ärztlichen Aufgaben, wie die Diagnose, Indikationsstellung und Therapiekontrolle, an andere Gesundheitsberufe könne nicht der Lösungsausweg aus der Misere sein. „Unsere Patienten haben Anspruch auf Facharztstandard. Der Hausarzt kann durch die Gemeindeschwester nicht ersetzt werden. Eine Arztentlastung durch Delegation von Aufgaben an entsprechend qualifizierte Mitarbeiter und eine engere Kooperation im Sinne einer Arbeitsteilung mit anderen Gesundheitsberufen ist jedoch dringend erforderlich“, so Kaplan. Ärztliche Arbeit müsse sich lohnen – privat und finanziell forderte der Präsident. Es ginge hier um die Motivation einer ganzen Generation junger Ärztinnen und Ärzte. Eine Gesellschaft des langen Lebens brauche engagierte Ärztinnen und Ärzte in Klinik und Praxis, sonst nehme die gesundheitliche Versorgung gerade einer Gesellschaft des langen Lebens, in der es immer mehr chronisch Kranke gibt, erheblichen Schaden.

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