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BÄK fordert Überarbeitung von Früherkennungsuntersuchungen bei Kindern

Experten diskutieren Präventionskonzept auf Tagung der Bundesärztekammer in Berlin

Berlin, 13. März 2012

„Nur wenn wir Risikofaktoren für die frühkindliche Entwicklung rechtzeitig erkennen und beeinflussen, lassen sich Erkrankungen und Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern und Jugendlichen abwenden oder zumindest lindern.

Deshalb ist es höchste Zeit, dass der Gemeinsame Bundesausschuss die Richtlinien für die
Früherkennungsuntersuchungen ändert und es Ärzten ermöglicht, ein stärkeres Gewicht auf die Erkennung psychischer Auffälligkeiten, aber auch auf Bewegungsmangel oder falsche
Ernährung zu legen und die Eltern entsprechend zu beraten.“ Dies forderte Rudolf Henke, Vorstandsmitglied der Bundesärztekammer (BÄK) bei der vierten Präventionstagung der
BÄK in Berlin. Er sprach sich außerdem dafür aus, dass die von den Krankenkassen angebotenen Präventionskurse mehr Angebote zur Stärkung von Eltern und Kindern zur Verfügung
stellen und sich hierbei inhaltlich enger mit Ärzten abstimmen. „Das alles sind Punkte, die die Bundesregierung in der von ihr angekündigten nationalen Präventionsstrategie aufgreifen sollte“,
sagte Henke, der auch Vorsitzender des Präventionsausschusses der Bundesärztekammer ist.

Wie wichtig es ist, Verhaltensauffälligkeiten und psychische Störungen von Kindern und Jugendlichen bei Präventionsmaßnahmen in den Fokus zu rücken, verdeutlichte auf der Tagung Prof. Dr. Bärbel-Maria Kurth, Leiterin der Abteilung für Epidemiologie und Gesundheitsberichterstattung des Robert Koch-Instituts. Sie berichtete über die Ergebnisse der sogenannten KiGGS-Studie, in der ca. 18 000 Kinder und Jugendliche im Alter zwischen 0 und 18 Jahren deutschlandweit untersucht und gemeinsam mit ihren Eltern befragt wurden. Dabei wurden auch vielfältige Informationen zur psychischen Gesundheit gewonnen. „7,2 Prozent der Drei- bis 17-Jährigen zeigten deutliche Anzeichen für eine psychische Auffälligkeit und bei weiteren 7,5 Prozent wurden Hinweise darauf festgestellt. Besonders betroffen sind Kinder aus sozial benachteiligten Familien“, berichtete sie. „In einer Unterstichprobe von 2.863 Familien, der so genannten BELLA-Studie, konnten vertiefende Informationen zu dieser Problematik gewonnen werden."

Dies deckt sich mit den Erkenntnissen von Prof. Dr. Hans Georg Schlack, der mehr als 25 Jahre das Kinderneurologische Zentrum der Rheinischen Kliniken Bonn geleitet hat. Er sieht bei Kindern und Jugendlichen Anzeichen einer „neuen Morbidität“. Dabei handele es sich um Störungen der Emotionalität und des Sozialverhaltens, die hauptsächlich durch sozio-ökonomische und psychosoziale Lebensbedingungen erzeugt würden. „Die Therapie dieser Störungen ist schwierig, langwierig und noch dazu kostenintensiv. Umso wichtiger ist es deshalb, dass wir stärker primärpräventiv tätig werden und belasteten Eltern beispielsweise Trainingsprogramme zur Förderung elterlicher Kompetenzen anbieten“, riet Schlack, der auch Präsident der Deutschen Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin war.

Dr. Böse-O`Reilly, Kinder- und Jugendarzt in München, ist in seiner pädiatrischen Praxis täglich mit Verhaltensauffälligkeiten von Kindern und Jugendlichen konfrontiert. „Dabei ist es nicht immer leicht, Eltern auf die beobachteten Auffälligkeiten ihrer Kinder anzusprechen. Für ihre wirksame Behandlung bedarf es enger Kooperationen mit anderen ärztlichen Fachdisziplinen und anderen Berufsgruppen im Gesundheitswesen sowie mit der Jugendhilfe.“ Er empfiehlt daher, die Stärkung sozialpädiatrischer Kompetenzen vermehrt zum Inhalt ärztlicher Fortbildungen zu machen.

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