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Rösler: „Wir wollen Diskussion um Rationierung überflüssig machen“

Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) hat sich bei den Beratungen des Bundestages zum Haushaltsplan des Gesundheitsressorts gegen Rationierung und Priorisierung im Gesundheitswesen ausgesprochen. „Wir arbeiten an einem System, das solche Diskussionen überflüssig macht“, sagte der Minister. Jeder Leistungsbereich im Gesundheitswesen werde dahingehend überprüft, wo Geld gespart werden könne. „Der einzigen Gruppe, der wir uns verpflichtet fühlen, sind die Versicherten und Patienten.“ Zugleich wandte sich Rösler gegen „bloße Kostendämpfungsgesetze“. Diese führten nur zu einer „schleichenden Rationierung“ für die Versicherten.

Rösler sprach sich dafür aus, Transparenz zu schaffen sowie Anreize für den wirtschaftlichen Umgang mit den knappen Mittel zu setzen. „Wir setzen zuerst auf die Menschen und nicht auf die Bürokratie des Systems.“ Leistungserbringer müssten frei in der Wahl ihrer Therapie sein, Patienten müssten frei in der Wahl der Leistungserbringer sein.

Der Minister forderte erneut einen Kurswechsel bei der Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung. An die SPD-Abgeordneten gewandt sagt er: „Ihr System ist unfertig und ungerecht.“ Im Moment gäbe es für Geringverdiener bei der Zusatzprämie keinen sozialen Ausgleich. „Wir sagen: Kein Beitrag ohne Sozialausgleich. Diese Sicherheit müssen die Menschen haben“, sagte Rösler.

Haushaltsdebatte im Bundestag
Rösler plädiert für einkommensunabhängige Beiträge


Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) hat sein Vorhaben einer umfassenden Gesundheitsreform bekräftigt. „Wir brauchen ein faires System, das sich nicht anmaßt, alles bis ins kleinste Detail lenken zu wollen“, sagte Rösler gestern im Bundestag anlässlich der Debatte über den Gesundheitsetat. Er kritisierte das derzeitige System als „unfertig“, „nicht zu Ende gedacht“ und „für viele Menschen auch sozial ungerecht“. Rösler plädierte für ein System einkommensunabhängiger Beiträge, „aber niemals ohne einen Ausgleich für die Schwächeren“.

Der Etat des Einzelplans umfasst 16,2 Milliarden Euro. Mit 15,7 Milliarden Euro fließt ein großer Teil davon als Bundeszuschuss an die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV). Rösler unterstrich, es gehe nicht nur darum, Geld in ein System zu geben, sondern darum, es insgesamt zu verbessern. „Bloße Kostendämpfungsgesetze halten wir für den falschen Weg, denn sie enden immer in schleichenden Rationierungen für die Versicherten“, sagte Rösler. Der Minister lehnte Diskussionen über Rationalisierungen und Priorisierungen im Gesundheitssystem ab. „Wir arbeiten an einem System, das solche Diskussionen von vornherein überflüssig macht“.

Rösler stellte klar: „Es gibt nur eine Gruppe, der wir als Koalition uns verpflichtet fühlen, und zwar die 70 Millionen Versicherten. Das ist unserer innerer Kompass, und daran werden wir unsere Gesundheitspolitik ausrichten.“ Gesundheit sei keine beliebige Ware, sondern ein hohes Gut. „Deswegen gehört zu einem gesunden System immer die Solidarität der Gesunden mit den Kranken“.

Johannes Singhammer, stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, sicherte den Beschäftigten im Gesundheitswesen mehr Unterstützung zu. „Mehr Unterstützung heißt – das ist uns wichtig – weniger Gängelung und weniger Bürokratie, dafür aber mehr Verantwortung und mehr Freiheit“, sagte Singhammer. Er kündigte für die nächsten Wochen ein Gesetz an, das sich die „Verbesserung der ärztlichen Versorgung vor allem in den ländlichen Regionen“ zum Ziel setze. „Wir wollen, dass sich die Ärzte wieder mehr auf die Versorgung der Patienten konzentrieren können und sich nicht ständig mit Gebührenordnungen, Richtlinien und Bürokratie beschäftigten müssen“, so der CSU-Politiker. Neben einem Gesetz, in dem der Arzneimittelbereich dereguliert werden soll, werde die Koalition ein Gesetz zur Struktur der Krankenversicherungen auf den Weg bringen. Dabei gehe es um das Verhältnis der gesetzlichen Krankenversicherung zur privaten Krankenversicherung. „Wir wollen, dass der Grundsatz, der sowohl das Nebeneinander als auch die Abgrenzung betrifft, erhalten bleibt. Wir wollen aber auch, dass die Möglichkeiten der Kooperation zwischen GKV und PKV bei Zusatzversicherungen gestärkt werden.“

SPD-Fraktionsvize Elke Ferner warf Rösler vor, die gesetzliche Krankenversicherung abschaffen zu wollen. Diejenigen, die sich Solidarität eigentlich am meisten leisten könnten, würden zur privaten Krankenversicherung abwandern und Medizin auf dem Stand der Technik erhalten. Diejenigen, die in der gesetzlichen Krankenversicherung oder in einem Mindestversorgungssystem zurückbleiben, würden Minimalmedizin bekommen, so Ferner. Sie kritisierte Röslers Pläne für eine Gesundheitsreform als „eine Umverteilung von unten nach oben". Kathrin Vogler von den Linken sagte: „Damit treiben sie die Spaltung der Gesellschaft voran.“ Birgitt Bender von den Grünen hielt Rösler vor, die Zusatzprämien als Vorläufer der geplanten Pauschalen billigend in Kauf zu nehmen: „Die Krokodilstränen über Zusatzbeiträge glaubt Ihnen niemand."

Mit heftiger Polemik kritisierte Dr. Karl Lauterbach (SPD) Minister Rösler und die schwarz-gelbe Koalition. Die Rufmordkampagne gegen den Leiter des IQWiG, Peter Sawicki, sei ein Tiefpunkt der deutschen Gesundheitspolitik. Rösler habe nichts gegen die von zahlreichen Krankenkassen angekündigten Zusatzbeiträge unternommen, so Lauterbach. Die gesetzlich Versicherten könnten auf höhere Beiträge und Zusatzprämien in Form von kleinen Kopfpauschalen warten, während Apotheker und Fachärzte, die Stammwähler der FDP, vor Wettbewerb geschützt würden. Wenn für Minister Rösler die Interessen von Pharmaindustrie und privater Krankenversicherung mehr wiegen würden als die Interessen der Patienten und der Versicherten, dann solle er Minister für Wirtschaft werden, empfahl Lauterbach.

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